Journaling

Was ich bewirken will? – Zusammen schreiben

Ich schreibe mich zu mir.

In den letzten Jahren war Schreiben mein Ankerplatz. Egal, was mir das Leben vor die Füße geworfen hat, Füller und Papier haben mir geholfen. Egal ob ich mit Trauer wegen des Todes geliebter Menschen fertig werden musste oder ob ich mich mit selbstgestellten Blog-Challenges – Jede Woche eine Frage beantworten- von Dauerschmerzen abgelenkt habe: Schreiben funktionierte immer.

Manchmal ging es ums bloße irgendwie Durchhalten. Manchmal um das Bewältigen gefühlt riesiger Trauer, Angst und Wut. Aufs Papier gebracht wird alles aussprechbar. Und was ich benennen kann, verliert wenigstens etwas seine Macht über mich. Es wird aufs Papier gebannt – das ist fast wie Zauberei.

Ich kann auch so oft ich will dasselbe schreiben, kann jammern, fluchen, schimpfen und zaudern. So lange, bis es mich langweilt oder ich damit endlich durch bin. Manchmal dauert das. Papier ist geduldig. Glücklicherweise.  

Ich habe mich auf dem Papier auch immer wieder neu erfunden. Ideen ausprobiert, durchgespielt, verworfen oder im Detail geplant. Wer bin ich jetzt? Nach diesen Veränderungen im Außen, die mich zwingen, mich anzupassen. Wer will ich jetzt sein? Wer kann ich jetzt noch sein? Nachdem sich Grenzen durch Krankheit verschoben haben? Wo ist der Freiraum? Wo sind die Leidplanken jetzt?

Um immer wieder ein für mich erfülltes und erfüllendes Leben zu basteln, war Schreiben für mich oft die einzige Möglichkeit, um mir meinen Weg durchs Dickicht zu bahnen. Journaling hilft mir dabei, mein Leben, trotz allem so gut zu leben, wie ich nur irgendwie kann. Innerhalb meiner Grenzen zufrieden zu leben und sie kreativ auszudellen, wo es nur irgendwie geht. Vielleiht sogar die ein oder andere zu verschieben, wenn sich die Mühe lohnt.

Ich habe mich durch ehrliches, persönliches Schreiben immer besser kennengelernt. Immer mehr herausgefunden, was ich unter allen möglichen verinnerlichten Erwartungen wirklich, wirklich will. Da mussten einiges Verkrustete abgelöst werden. Das Schwierigste war zu lernen, mich mit allen meinen Facetten und vor allem auch den unbeliebten, schwierigen- Anteilen zu beschäftigen. Was sind meine Bedürfnisse? Was glaube ich zu brauchen, was brauche ich wirklich? Was tue ich mit meinen Ängsten? Was mit meiner Wut?

Journaling aka persönliches Schreiben mit kreativen Inspirationen und Impulsen ist dafür eine der besten Möglichkeiten, die ich kenne. Und der Stoff zum Schreiben wird mir noch eine ganze Weile nicht ausgehen. Wahrscheinlich nie.

Wenn du die Antwort weißt,

ändert das Leben die Frage. (anonym)

Zusammen Schreiben lernen

Ich habe das Glück gehabt, erst durch meine Autorinnen-Freundin, dann durch eine Schreibausbildung am writers‘ studio in Wien und schließlich durch die Journaling-Coach-Ausbildung bei Birgit Schreiber eine Fülle an Werkzeugen, Fähigkeiten und Inspirationen für das Schreiben zu bekommen.  

Die Liste der Frauen, von denen ich lernen konnte, ist lang:

Stefanie Gerstenberger hat mir gezeigt, dass Schreiben viel mehr für mich bedeutet als Fachtexte und Tagebuch zu schreiben. Ihr verdanke ich mein erstes Roman-Exposee und den Roman dazu. „Herr Hurzelmeier“ hat es leider nie in die Regale geschafft, aber so ist das ja bei Erstlingswerken angeblich häufig: Sie liegen in der Schublade und das zweite Buch „schafft es “ dann. 😉  

Bei Michaela Muschitz hat alles angefangen im writers‘ studio: Ihre Writers Tricks haben mich festgeleimt. 

Von Johanna Vedral durfte ich meine geliebte Verbindung von Collage und Schreiben im Collage Dream Writing kennenlernen.

Von Judith Wolfsberger und Ba Osse (HERstory!) bin ich in das feministische Schreiben eingeführt worden. 

Ana Znidar hat mich meine erste Kurzgeschichte schreiben lassen, obwohl ich Kurzgeschichten bis dahin nicht mal gerne gelesen habe. (Englisch-Unterricht sei Dank!)

Und Birgit Schreiber hat mir Journaling in allen Facetten nahegebracht.

Sie alle sind dem „Friendly feedback“ verpflichtet, ohne das das Schreiben, so wie ich es jetzt pflege und weitergebe, auch nicht möglich wäre. 

Und ohne meine Schreibgruppen wäre es sowieso nicht gegangen: 

Gemeinsames Schreiben und der Austausch darüber sind eine unglaublich bereichernde und verbindende Erfahrung. 
Mich jeden (!!!) Montag-Abend in den heftigen Corona-Jahren und Wintern mit anderen zum Schreiben zu treffen, hat mich durch diese Zeit getragen. Und hier spricht die Frau, die Gruppen erstmal grundsätzlich eher skeptisch gegenüber steht. 

Du schreibst dich zu dir. Wir schreiben uns zusammen.

Durch diese Erfahrungen glaube ich inzwischen, dass das was ich bei mir verstehen und annehmen kann, dann auch bei anderen besser verstehen und annehmen kann.
Der offene und wertschätzende Austausch über das Geschriebene in einer Schreibgruppe fördert das fast ganz nebenbei.

Je mehr Menschen sich und ihre Bedürfnisse, Werte und Wünsche durch Schreiben gut kennen und ausdrücken können, desto besser können Konflikte gelöst, tragbare Lösungen entwickelt und das Zusammenleben aller geregelt werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass immer genauere Selbstkenntnis zu einem besseren Verhältnis untereinander in Freundschaften, Lebenspartnerschaften, Familien und in Teams beiträgt. Das ist wiederum die Voraussetzung für ein gutes Zusammenleben im größeren Kontext.

Das ist jetzt natürlich die ganz große Nummer. In Wirklichkeit habe ich keine Ahnung, ob und welche Auswirkung mein Tun haben wird. Aber ich kann ja immerhin eine Intention als Nordstern haben. Es gibt diesen schönen englischen Begriff „ripple-effect“ und egal welche Größe meine Reichweite hat, ein paar Ripple wird das Ganze schon verursachen. Der Rest liegt sowieso außerhalb meiner Kontrolle.

Das kann ich tun: Journaling bekannter und verfügbarer machen.

Mit der Schreibapotheke® und gemeinsam mit anderen möchte ich dazu beitragen, dass „Journaling“ genauso bekannt wird wie Yoga und Meditation. Deshalb bin ich auch Mitglied in der „Personal Writing Community“. [Link]  

Damit biete ich Menschen eine Alternative zur Selbstfürsorge, die -wie ich- mit den beiden anderen Methoden erst mal nicht so viel anfangen können. Ich finde Journaling ist niedrigschwelliger, weil man nur Papier und Stift braucht, keine Spiegel involviert sind, erstmal keine Körperarbeit notwendig ist und man alleine für sich mit einer heruntergeladenen Vorlage starten kann.*

Ist das jetzt meine Bestimmung?

Keine Ahnung! 

Das ist jedenfalls das, was ich gerne bewirken möchte. Im Moment.
Dafür habe ich „Die Schreibapotheke®“ gegründet. Dafür setze ich mich ein.

Und ich bin sehr gespannt, was daraus werden wird.

Grafik mit Schfreibmaschine in der ein Blatt Papier steckt mit den Sätzen: Ich schreib mich da durch. Ich schreib mich da raus. Ich schreib mich klug. Ich schreib mich zu mir. Ich schreib mich.

*Jaja, ich weiß schon: Ich kann mich aus Stress-Reaktionen und Schmerzen nicht durch einsames Schreiben allein herausschreiben oder herausdenken. Sehr bedauerlich das! Leider scheint es wohl generell so zu sein: Die körperliche Seite will und muss da mitmachen. Aber das ist eine „evolving story“ für ein andermal, wenn ich mehr darüber weiß.

Bonusmaterial - Deleted scenes

Während der Entstehung dieses Artikels sind viele, ganz unterschiedliche Gedanken aufgetaucht. Nicht alle haben es in die „fertige“ Version des Artikels geschafft. Wenn du also jemand bist, die gerne das Bonusmaterial bei Filmen guckt: Hier sind die herausgeschnittenen Szenen.

„Da schließt sich ein Kreis!“ – Die Schreibapotheke heißt „Schreibapotheke“, weil ich in meinem allerersten Berufsleben Apothekerin war. Ich bin es also schon sehr lange (seit 1995) gewohnt über wirklich alle Themen zu reden, vom Scheidenpilz bis zur Palliativtherapie bei Krebs war in meinem Berufsalltag alles dabei. Menschen sind in die Apotheke gekommen und wollten ihre gesundheitlichen Probleme besprechen. Ich wusste nie, was mich erwartet, nachdem ich „Was kann ich für Sie tun?“ gefragt habe. Dass Tabletten und Tropfen nicht immer alles waren, was die Menschen brauchten, war mir schon damals klar. Oft ging es darum, mit jemandem zu reden, der sich auskannte, unvoreingenommen zuhörte und „von außen“ beraten konnte. Apothekerin ist ein sehr befriedigender Beruf in dieser Hinsicht. 

Ich bin dennoch nicht dabei geblieben, weil ich noch mehr lernen wollte, andere berufliche Erfahrungen sammeln und außerdem auch entdeckt hatte, wie gerne ich Vorträge halte und mein Wissen an mehr als nur eine Person auf einmal weitergebe. Also habe ich Apothekenteams gecoacht und im internationalen Training eines großen Medizinprodukte-Konzerns mein medizinisch-pharmazeutisches Wissen an quereinsteigende BWLer vermittelt. 

Dann habe ich mich selbständig gemacht. (Hinter diesem kurzen Satz steckt ein weiterer länglicher Blogartikel, den ich später mal schreiben werde. 😉 )

Nach vielen Kurven und Schlenkern in meiner Selbständigkeit habe ich jetzt das erste Mal ein Gefühl von „DAS ist es!“ – Und es fühlt sich so an, als ob ich nach einer langen Reise in meinem beruflichen Zuhause angekommen sein könnte.

Ich bin wieder am Start: In der Apotheke!
Aber es ist meine eigene „Die Schreibapotheke®“ eben und ich verabreiche Schreibwirkstoffe statt Tabletten.

 

„Eigentlich fing die Sache mir dem Schreiben schon vor Stefanie Gerstenbergar an.“- Ich habe meine erste Coaching-Ausbildung bei Barbara Sher gemacht. Wer ihre Bücher wie „Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste was“ kennt, weiß, dass dort immer geschrieben wird, um mehr über sich selbst zu erfahren. Ich habe also schon während der Ausbildung und in weiteren Workshops schon sehr viel Selbstreflektierendes geschrieben, nur hieß es dort eben nicht „Journaling“ sondern einfach nur: Schreib mal auf, was dir einfällt, wenn ich dich danach frage, was dich als Kind glücklich gemacht hat. Viele meiner Journaling-Impulse haben ihre Wurzeln in der wunderbaren Arbeit von Barbara Sher †. [Ihr TED-Talk]

„Ich will aber gar keine Bestimmung haben!“ – Das ist doch alles viel zu anstrengend und „all-consuming“. Der eigenen Berufung folgen heißt doch schließlich, dass ich mich dem voll und ganz hingebe. Meine Bedürfnisse hintanstelle und ganz für meine Wirksamkeit lebe. Keine Berufung ohne Märtyrerin! – Das katholische Gedankengut aus meiner Kindheit und Jugend steckt mir echt immer noch in den Knochen und Glaubenssätzen (!). Puh!

Ein „ganz-oder-gar-nicht-Ansatz“ mal wieder. Die Möglichkeit, dass ich wirksam sein kann für etwas, das mir am Herzen liegt UND gleichzeitig gut für mich sorgen darf, kam mir nicht in den Sinn. Meine Wirksamkeit erfordert auch nicht, dass ich alle anderen Bereiche komplett vernachlässige. Ja, Fokus ist gut. Und gleichzeitig darf ich entscheiden, wie ich meine Ressourcen, Aufmerksamkeit, Energie und Zeit aufteile.

Und wenn ich eben beschließe, dass meine Wirksamkeit im Bereich „Wir schreiben uns zusammen“ den Prozentsatz X bekommt, habe ich gefälligst diesen „kleinen“ Beitrag mir nicht selbst mies zu machen. Denn nicht „100% zu geben“ heißt nicht, dass ich die „Sache nicht ernst nehme“ oder dass das dann „sowieso nichts nützt“ oder „einfach zu wenig“ ist.

Die dunkle Seite einer Berufung zu folgen liegt, glaube ich, genau darin: Es ist leicht möglich, dass ich mich darin verliere. Dass ich mich am Erfolg oder der Bestätigung, die ich bekomme, wenn sich Erfolg einstellt, berausche und immer mehr den „Kick“ daraus suche. Und darüber die eigentliche Motivation wirksam zu werden vergesse. Arbeit mit persönlichem Sinn und Wirkung hat eine enorme Sogkraft dafür, ein ganzes Leben zu vereinnahmen, alles an sich zu ziehen. Nicht umsonst wurde Burnout zuerst in den pflegenden Berufen beschrieben.

Deshalb eine kleine Notiz an mich selbst: Pass bei aller Begeisterung auch darauf auf, dass du deine Ressourcen auch auf andere Lebensfelder verteilst. Selbstvergessene und selbstgerechte  Märtyrerinnen für eine Berufung hat es schon mehr als genug gegeben. 

Just sayin‘. 

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6 Comments

  1. Liebe Claudia,

    dann bist du wohl auch ein Scanner? Dein Blogbeitrag fand ich sehr bereichernd und die Aussage, dass wir uns nicht in der Bestimmung verlieren sollen … hat mich angesprochen. Das nehme ich mit.

    Magisch bunte Grüße Ingrid

  2. Hallöchen,

    deinen Blogbeitrag fand ich sehr bereichernd. Da ich selber auch schreibe, interessiert mich die Schreibapotheke. Wie kommt man dahin?

    Liebe Grüße
    Ulrike

    1. Liebe Ulrike,
      die „Schreibapotheke gibt es im Moment nur als virtuellen Ort hier auf meiner Webseite.
      Unter Workshops findest du mein Angebot für Online-Workshops.
      Im Herbst wird es eventuell eine echte „Schreibapotheke“ als Schreibraum in Marburg geben.
      Dann biete ich auch Workshops und 1:1-Sessions in Präsenz an.
      ich würde mich freuen, wenn du in beiden Räumen einmal vorbei schaust.

      Liebe Grüße,
      Claudia

  3. Liebe Claudia,

    dein Artikel bringt, wie ich finde, ich viele Dinge sehr gut auf den Punkt! Man merkt irgendwie in jedem Satz, dass Du in die Tiefe gehst und Dich mit vielen Dingen schon sehr persönlich auseinandergesetzt hast. Das finde ich echt mega! Und Deinen Namen „Schreibapotheke“ finde ich echt super vielschichtig, ganz toll!

    Ich habe selber mit dem Beten eine ganz ähnliche Erfahrung wie Du mit dem Schreiben gemacht. Eine andere Form – gleicher Effekt! Und da bin ich nun auch gerade dabei, mich unter dem Namen „LoveToPray – Seelennahrung von Gott“ selbständig zu machen.

    In diesem Zusammenhang finde ich es super spannend zu hören, was Du über Deine „katholischen Glaubenssätze“ schreibst! Denn das genau ist eines der Dinge, die ich mit meinem Business adressieren möchte: Was macht diese religiös geprägte Erziehung mit uns (und zwar im Unterbewusstsein, selbst dann, wenn wir uns inzwischen vielleicht von Kirche abgewandt haben)? Und wie können wir das auflösen und zu einer selbstbestimmten Spiritualität (= Sinnbildung) aka direkten Beziehung zu Gott finden, bei der andere – inklusive Kirche – wie ich finde nicht das geringste Recht haben, sich dazwischen zu drängen?

    Ich bin immer noch ziemlich am Anfang mit meinem Vorhaben, doch hier bei Dir zu lesen, dass ich mit diesen Ideen nicht ganz falsch zu liegen scheine macht mir wirklich sehr viel Mut! Vielen Dank fürs Teilen!

    Viele liebe Grüße von einer anderen Purpose-Bloggerin 🙂
    Andrea

    1. Liebe Andrea, Danke für deine Gedanken!
      – Die Idee sich um die unguten Auswirkungen von religiös geprägter Erziehung zu kümmern, finde ich wiederum toll!
      Da gibt es noch so viel zu entwirren und zu verstehen. Ich wünsche dir viel Erfolg damit.
      Liebe Grüße, Claudia

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